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Zuerst lang

Oct 21, 2023

15. September 2022

by Christina Lotz, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Methanol spielt als Rohstoff für die Industrie eine wichtige Rolle und gilt derzeit als einer der wichtigsten Energieträger in der aufstrebenden Wasserstoffwirtschaft. Allerdings verursacht die herkömmliche Methanolproduktion aus Kohle und Erdgas große Mengen an Treibhausgasemissionen. Mit dem Projekt Carbon2Chem haben es sich Partner aus Industrie, Forschung und Wissenschaft zur Aufgabe gemacht, Verfahren zur Herstellung von Methanol aus Industrieabgasen am Beispiel der Stahlindustrie zu erforschen.

Erstmals konnte nun die Langzeitstabilität der Methanolsynthese aus echtem, gereinigtem Hochofengas in einer Miniplant des Fraunhofer ISE mit einer Produktionskapazität von zehn Litern pro Tag über insgesamt mehr als 5.000 Stunden nachgewiesen werden. Im Jahr 2018 lieferte thyssenkrupp den Proof-of-Concept für die Methanolproduktion aus Gichtgas, das im Rahmen dieses Projekts eingesetzt wird.

Die fossile Methanolsynthese und die Stahlproduktion über die Hochofenroute auf Kohlebasis sind für erhebliche CO2-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Durch die Verknüpfung beider Prozesse können wir Methanol aus rein fossilen Brennstoffen ersetzen, indem wir grünen Wasserstoff mit den Emissionen der Stahlproduktion umsetzen. „Die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen können nur durch die Verknüpfung von Industriesektoren erfüllt werden. Wir müssen schwer vermeidbare Emissionen in einen Kreislauf bringen“, erklärt Dr.-Ing. Achim Schaadt, Leiter der Abteilung Thermochemische Prozesse am Fraunhofer ISE.

Das 2016 gestartete Projekt Carbon2Chem erforscht Verfahren zur Umwandlung von Prozessgasen aus der Stahlindustrie in Grundchemikalien. „In Carbon2Chem werden innovative Kräfte aus Industrie, angewandter Forschung und Universitäten gebündelt, um schnell zu einer umsetzbaren, systemisch optimierten Gesamtlösung zu gelangen“, sagt Luis F. Piedra-Garza von thyssenkrupp Steel Europe.

Das Fraunhofer ISE, das seit zehn Jahren auf dem Gebiet der Methanolsynthese tätig ist, setzte bei der Entwicklung der Miniplant auf ein einfaches und robustes Verfahrenskonzept. Es basiert auf zwei ungekühlten, adiabatischen Reaktoren und einer industriellen Wiederverwertung der nicht umgesetzten Gase. Die Anlage ging 2017 am Fraunhofer ISE in Freiburg in den Probebetrieb mit Flaschengasen, bevor sie 2019 in die Carbon2Chem-Pilotanlage in Duisburg überführt wurde.

Die Abgase des benachbarten Verbundstahlwerks werden in einer Gasreinigungsanlage von thyssenkrupp Industrial Solutions mit Katalysatoren und Sorptionsmitteln des Spezialchemieunternehmens Clariant aufbereitet und sind für die anschließende Synthese frei von Katalysatorgiften.

„Mitarbeiter von thyssenkrupp Uhde Engineering Services halten die Gasreinigungsanlage rund um die Uhr am Laufen. Das Stahlwerk arbeitet im Dreischichtbetrieb, so dass immer genügend Gas vorhanden ist. Damit haben wir ideale Voraussetzungen für einen kontinuierlichen Betrieb im Technikumsmaßstab“, erklärt Max Hadrich , Leiter der Gruppe Power to Liquids am Fraunhofer ISE.

In insgesamt mehr als 5.000 Betriebsstunden vor Ort wurden über 1.500 Liter Rohmethanol produziert. Der Fokus lag auf der Nutzung des gereinigten Hochofengases, das mit 85 % den größten Anteil an den Hüttengasen ausmacht. In einem Langzeittest über 3.000 Stunden konnte kein signifikanter Rückgang der Katalysatoraktivität festgestellt werden. Dies ist ein Beleg für die gute Funktion des Katalysators und des Anlagendesigns. „Carbon2Chem und die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ISE bieten einen idealen Rahmen, um die Leistungsfähigkeit unserer industriellen MegaMax-Methanolsynthesekatalysatoren für die effiziente und stabile Umwandlung CO2-reicher Prozessgase zu unterstreichen“, sagt Dr. Andreas Geisbauer vom Projektpartner Clariant.

Eine wichtige Voraussetzung für die Prozessoptimierung der Methanolsynthese aus CO2-reichem Synthesegas ist die Verbesserung des kinetischen Modells für den in Carbon2Chem verwendeten Clariant-Katalysator, da Reaktionen mit einem Rückführungskreislauf wie die Methanolsynthese ein tiefes Verständnis der komplexen Wechselwirkungen erfordern Prozessparameter.

Basierend auf dem verbesserten, selbst entwickelten kinetischen Modell konnte das Fraunhofer ISE einen digitalen Zwilling der Miniplant erstellen. Dies ermöglicht eine Beschleunigung der Lernprozesse bei gleichzeitiger Minimierung von Scale-up-Risiken für zukünftige Industrieanlagen. „Nach der Validierung unserer Modelle mit Daten aus der Miniplant konnten wir die Anlagenparameter simulieren und optimieren. Mithilfe der Simulationsergebnisse ist es uns gelungen, die Leistung der Miniplant Schritt für Schritt zu steigern“, sagt Florian Nestler, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ISE .

Die Hüttengase sind ein wesentlicher Rohstoff für die Anlage, jedoch nicht in ihrer Menge und Zusammensetzung konstant. Diese Randbedingung, die häufig bei Prozessen auf Basis fluktuierender erneuerbarer Energiequellen auftritt, stellt eine neue Herausforderung für die Methanolsynthese dar. Je nach Betriebszustand oder verfügbaren Rohstoffen können die Eigenschaften der Gase aus der Kokerei, dem Hochofen (Umwandlung von Eisenerz zu Roheisen) oder dem Konverter (Umwandlung von Roheisen zu Stahl) erheblich variieren. Mit den gesammelten Daten kann nun ein Steuerungskonzept entworfen werden, das in Echtzeit auf Änderungen reagiert und die Synthese jederzeit auf einem optimalen Betriebspunkt hält.

„Wir freuen uns, die Versuche in Duisburg erfolgreich abgeschlossen zu haben und uns nun der Skalierung des Prozesses widmen zu können“, sagt Max Hadrich. Die validierten Prozessmodelle werden in einem nächsten Schritt genutzt, um Großanlagen zu entwerfen, technisch-ökonomische Bewertungen durchzuführen und den CO2-Fußabdruck des Prozesses zu bewerten.

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